Von Dr. Wolfgang Storm, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, St. Vincenz Krankenhaus, Paderborn, Deutschland
aus dem Sonderheft “Mittendrin” zur Down-Syndrom-Tagung 2006 in St.Virgil in Salzburg, herausgegeben von DSÖ, Institut Leben Lachen Lernen
Mit dem Ende der Teenagerjahre gilt es auch für Jugendliche mit Down-Syndrom sich von der Welt des Kindes zu befreien und in die Verantwortlichkeiten des Erwachsenenlebens einzutreten. Auch wenn dieser Übergang für junge Leute ohne Behinderung eine oft kritische und oft komplikationsreiche Phase bedeutet, kann dies umso mehr für Jugendliche mit Down-Syndrom angenommen werden. Trotz ihrer annähernd normalen körperlichen Reife fehlt es doch häufig an intellektuellen und gestalterischen Fähigkeiten, sowohl mit den Anforderungen der sozialen Umwelt als auch mit ihrem eigenen Wunsch nach Unabhängigkeit zurecht zu kommen. Nach der relativ behüteten Kindheit gilt es nun, auf eine berufliche Kompetenz vorbereitet zu werden und soziale Fähigkeiten zu entwickeln, um in der Gesellschaft bestehen zu können.
In dieser Zeit ist die psychologische Anpassung an diese Phase des Umbruchs besonders bedeutsam, bei deren Bewältigung es einer behutsamen und toleranten Unterstützung von Angehörigen, Betreuern und Therapeuten bedarf. Störungen im Ablauf dieser Übergangsphase können durch vielfältige äußere Umstände ausgelöst werden:
- Schwierigkeiten, mit dem Umstand umzugehen, wenn Geschwisterkinder das Elternhaus verlassen, Jugendliche mit Down-Syndrom aber noch längere Zeit dort bleiben (müssen).
- Der Tod von geliebten Menschen (z.B. Großeltern)
- Änderungen innerhalb des Schulmilieus oder der Wechsel von der Schule in eine beschützende Werkstatt.
- Unglückliche Freundschaft / Liebe / sexueller Missbrauch.
- Überforderung, aber auch Unterforderung in der Schule / am Arbeitsplatz.
Ergebnis eines gestörten Anpassungsprozesses sind häufig Verhaltensauffälligkeiten, emotionale Symptome bis hin zu ernsthaften psychiatrischen Diagnosen:
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Aggressives Verhalten
- Angstsyndrome
- Essstörungen
- Stereotypen
- Zwangsvorstellungen
- Mutismus
- Autismus
- Depression
Vor allem depressive Symptome bleiben dabei häufig undiagnostiziert, können aber bedeutsame Konsequenzen haben (z.B. Einweisung in eine Institution).
Es soll hier darauf hingewiesen werden, dass – eine spezifische Diagnose vorausgesetzt – psychiatrische Symptome auch bei Patienten mit Down-Syndrom häufig erfolgreich behandelt werden können. Deshalb ist eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Schwierigkeiten psychologischer Anpassungsprozesse gerade in dieser Zeit des Übergangs vom Jugendlichen zum Erwachsenenalter notwendig, um psychiatrische Komplikationen vermeiden zu helfen. Das Erkennen dieser Nöte und Schwierigkeiten ist bedeutsam, da das Auftreten psychiatrischer Symptome eine Hauptindikation für die Einweisung in eine Institution bzw. in ein Heim darstellt. Viele der psychiatrischen Probleme können aber bei rechtzeitiger und richtiger Behandlung bewältigt werden, sodass eine Einweisung bzw. Hospitalisierung unnötig ist. Die Hospitalisierung hingegen ist oft nicht in der Lage, bei den anstehenden Problemen zu helfen; sie kann sogar einige Probleme erst hervorrufen bzw. verstärken.